Zu zweit allein
Die Sommerblüten in der trüben Glasvase auf dem Schreibtisch waren so trocken, dass der Luftzug, den Marianas Eintreten verursachte, einen Teil davon zu Staub zerfallen ließ, und in dem fensterlosen Raum war es so still, dass sie das Auftreffen der Blütenteilchen auf den Aktenblättern hören konnte. Das Knistern klang bedrohlich wie fernes Donnergrollen.
„Ich habe Kaffee organisieren können“, sagte der alte Mann und strich sich die zu langen Seitenhaare über die verschwitzte Glatze. „Ich habe sogar Zucker, extra für Sie.“
Es klang zynisch, aber Mariana hatte Durst, großen Durst, sie hätte jedes Getränk angenommen, und wenn es Gift gewesen wäre. Sie setzte die Tasse an die Lippen und trank einen langen Schluck.
Der Kaffee schmeckte bittersüß.
„Und jetzt zu uns“, flüsterte der Alte. Es klang in ihren Ohren wie das Zischen einer Schlange, aber Mariana biss die Zähne zusammen und ging um den Schreibtisch herum, wie sie es jedes Mal tat, wenn er sie rief.
Außerhalb dieses schalldicht abgeschlossenen Bunkers, das wusste sie, konnte niemand es hören, wenn sie schrie.
Veröffentlicht am 13. Juni 2017 in Allgemein, Kürzestgeschichten, Realismus und mit Blumen, Einsamkeit, Hölle, Hitze, Krieg, Sommer getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Ein Kommentar.
Liebe Elke, was für eine großartige, bittersüße, beklemmende Geschichte! Du taggst sie mit „Hölle“ und genau das denke ich auch. Wunderbar und furchtbar!
Schön, dass du bei den Etüden gelandet bist!
Liebe Grüße
Christiane
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