Archiv für den Monat September 2017

Erinnerung für Kriegs-Urenkel

„Du willst wissen, was Quadratscheißer sind?“, fragte Juliane, die alte Lehrerin, die sie Julischka nannten, ihren Urenkelsohn. „Das kann ich dir sagen – ich habe es nämlich erlebt, damals, als sie uns in die Ukraine verschleppten, in Viehwaggons, im Januar 1945, ohne Heizung, ohne Toiletten. Die Männer, na, eigentlich waren es unsere Jungs, Hermann und Ojnzo und Mischi, mit denen ich zur Schule gegangen war, die sägten ein Quadrat aus dem Boden des Waggons, mit einer Säge, die sie von den Russen hatten, oder von den Ukrainern, keine Ahnung, von den Sowjets jedenfalls, damals sagten wir Russen zu allen. Und durch dieses Loch mussten wir alle, Männer und Frauen und Jungen und Mädchen, also, wenn wir mussten, was wir mussten …“, Julischka sprach selten von „Scheiße“ oder ähnlich vulgären Dingen, aber Adrian verstand auch so, was sie meinte.

„Der Krieg war faktisch zu Ende damals, oder so ähnlich“, fuhr Julischka fort, „Rumänien hatte nach dem Putsch vom 23. August 1944, den sie nachher jahrzehntelang die Befreiung vom faschistischen Joch nannten, das Militärbündnis mit dem Deutschen Reich gekündigt und sich im Krieg auf die Seite der Alliierten geschlagen. Postfaktisch, wie ihr heute sagen würdet, also gefühlt, für uns Deportierte, war natürlich gar nichts zu Ende, außer unserer Hoffnung auf eine Zukunft und ein normales Leben irgendwann in absehbarer Zeit. Wir wussten nicht, wohin wir fuhren, wir wussten nicht, was wir dort sollten, wir wussten nicht, wie lange wir bleiben würden, und wir wussten auch nicht, ob wir je wieder zurückkommen könnten zu unseren alten Eltern, unseren kranken Großeltern, unseren kleinen Kindern. Alles war, modern gesprochen, ergebnisoffen, und das Ergebnis war, wie sich später zeigte, auch nicht für alle gleich, es brachte manche von uns nach Hause zurück, verschlug andere nach Deutschland und bedeutete für viele ein kaltes Grab in der ukrainischen Fremde. Auch für dich, mein Kind, ist das nicht unwichtig, denn mich schickten sie nach Ülzen in Niedersachsen ‚zurück‘, wo ich nie gewesen war, und das taten sie nur, weil ich im Lager schwanger wurde, von einem ukrainischen Wärter, dessen Namen ich nicht einmal kannte.“

Hätte es ihn nicht gegeben, folgerte Adrian, gäbe es ihn selbst auch nicht, und wäre Julischka nicht in ein Land geschickt worden, das sie nicht kannte, wäre seine Oma vielleicht Ukrainerin geworden, und sie hätte seinen Opa, der aus Dänemark stammte, nie kennengelernt – wie zufällig und beliebig doch Geburtsorte und Herkunft waren!

(Mit einem Dankeschön an Christiane für ihre Einladung zu den abc-Etüden, diesmal die Nummer 2 mit den Wörtern „Quadratscheißer“, „postfaktisch“ und „ergebnisoffen“, die wie immer in maximal 10 Sätzen unterzubringen waren. )

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Die Farben des Himmels

Maria hätte es wissen müssen, dass Petrus in mancherlei Hinsicht nicht nur ein Korinthenkacker, sondern geradezu ein Quadratscheißer war. Warum hatte sie ihn bloß auf die Idee gebracht, die Uniformfarben weiter zu vereinheitlichen?

Jetzt hockte sie da, neben Eva, in dieser höchst überflüssigen Heiligensitzung, wippte mit den Zehen gegen eine Federwolke, rollte die Augen sternwärts und ärgerte sich über sich selbst.

„Faktisch ist grün nicht gleich grün“, dozierte Petrus gerade, „und rosa ist nicht rosa, das hat mir Maria dankenswerterweise klar gemacht.“ Sogar ihren Namen musste er erwähnen!

„Deshalb wollen wir jetzt postfaktisch und ergebnisoffen darüber diskutieren, was genau künftig unter den Farben des Himmels zu verstehen sein soll.“

„Ich würde vorschlagen, wir halten uns an den RGB-Farbraum“, meldete sich Adam vorlaut zu Wort. „Für die männlichen Heiligen ein kräftiges Pink, RGB 255, 20, 147, damit jeder versteht, was ich meine, und für die weiblichen ein dunkles Olivgrün, zum Beispiel RGB 85, 107, 47. Das ist unauffällig und züchtig, wie es sich für weibliche Heilige gehört, nicht wahr, meine Damen?“, das sagte er mit einem hämischen Blick in Marias und Evas Richtung.

„Sorry, Eva“, flüsterte Maria ihrer Wolkennachbarin zu, „das habe ich wirklich nicht gewollt, und wenn du jetzt auswandern willst, ich bin auf jeden Fall dabei!“

(Mit einem Dankeschön an Christiane für ihre Einladung zu den abc-Etüden, diesmal die Nummer 1 mit den Wörtern „Quadratscheißer“, „postfaktisch“ und „ergebnisoffen“, die wie immer in maximal 10 Sätzen unterzubringen waren. Es handelt sich um eine Fortsetzung meiner Maria-und-Petrus-Anekdoten.)

Mius-ärgere-mich

Rosa-grün, grün-rosa, rosa-grün – verdammt, Bens schrecklicher Kater Mius hatte wieder die ganze Wolle verwurschtelt.

Martin versuchte mühsam, die Fäden zu entwirren, die Mius beim Spiel mit den Knäueln so heillos ineinander gewirkt hatte.

„Warum kannst du nie aufpassen auf dein blödes Katzenvieh“, zischte er durch die Zähne, was sein Bruder natürlich nicht hören konnte, weil er gar nicht zuhause war, sondern sich irgendwo bei den Mädchen der Oberklasse herumtrieb, die heute Spinn-Abend hatten.

Wenn Martin seinem Bruder Ben nicht endlich mehr Achtsamkeit einbläuen konnte, würde das nie etwas werden mit der gemeinsamen Geschäftsidee, denn ein Woll- und Strickladen war schließlich etwas Ernsthafteres als das idiotische Gekicke am Hinterhof, dem Ben sich jeden Nachmittag mit Feuereifer widmete, wenn er nicht gerade, wie heute, eine attraktivere Einladung hatte.

Fußball und Mädels, etwas anderes hatte Ben nicht im Sinn, nicht mal Schule!

In Mathematik schrieb er von Fatima ab, in Physik von Heidelinde, in Chemie von Veronika, und die Aufsätze ließ er sich daheim von seinem Bruder und Geschäftspartner anfertigen.

Ein Schmarotzer war er, nichts weiter!

Aber ein Schmarotzer, der begnadet stricken konnte, das musste der brüderliche Neid ihm lassen.

Mützen und Handschuhe und Socken und Pullover und Mäntel und Kostüme und Hosen, und – trotzdem würde Martin ihm heute die Geschäftspartnerschaft kündigen, das mit Mius ging definitiv zu weit.

Aber dann kam Ben vom Spinn-Abend mit einer Bollerwagenladung voll handgesponnener Schafwolle wieder, und so verschob Martin die Kündigung auf die nächste Mius-ärgere-mich-Aktion.

(Mit einem Dankeschön an Christiane für ihre Einladung zu den abc-Etüden, diesmal die Nummer 3 mit den Wörtern „Achtsamkeit“, „rosa-grün“ und „verwurschteln“, die wie immer in maximal 10 Sätzen unterzubringen waren.)

Himmlisch uniform

Marias Wolke war so wohlig-weich, dass Petrus nicht anders konnte, als sich zu entspannen, und das war für Maria DIE Gelegenheit – „jetzt oder nie“ hieß die Parole!

Achtsamkeit hatte eben ihre Vorteile, das stand außer Diskussion.

„Warum“, fragte Maria und prostete Petrus mit einem Glas frisch gepressten Mannas zu, „warum gelten neuerdings diese besch…eidenen Kleidervorschriften?“

Gerade rechtzeitig hatte sie sich daran erinnert, dass eine ernstzunehmende Heilige die Vokabel „bescheuert“ nicht benutzte, ganz zu schweigen von anderen Wörtern, die mit „besch …“ begannen und noch vulgärer endeten.

„Was für Kleidervorschriften meinst du?“, tat Petrus ahnungslos und schlürfte das Manna hörbar durch seinen Strohhalm, der rosa-grün gestreift aus dem grünen Glas mit dem breiten rosafarbenen Rand ragte.

„Ich finde dieses Rosa-Grün nicht nur grässlich“, antwortete Maria, „sondern auch missverständlich.“

„Wieso – ist Rosa nicht rosa und Grün nicht grün?“

Was für eine männlich-ignorante Ansicht!

„Unter Rosa-Grün kann man genau ALLES verwurschteln“, belehrte die Mutter Gottes den gestrengen Schließer des Himmels, „es kann Apfelblütenrosa oder Heckenrosenrosa oder Morgensonnenrosa oder Alpenglühenrosa oder sonstwas sein, und von Frühlingsbirkengrün über Sommergrasgrün bis Edeltannengrün ist ebenfalls alles möglich, wie sollen also die Männer wissen, welches Rosa sie wählen müssen, und wie sollen die Frauen das richtige Grün treffen für ihre Uniformgewänder?“

Petrus betrachtete Marias heuschreckengrüne Jeans, zu der sie eine edle olivgrün-meergrüngestreifte Seidenbluse trug, sah dann an seiner unifarbenen knallpinken Soutane hinunter und räumte widerwillig ein, dass auch eine weibliche Heilige manchmal im Recht sein könne.

(Mit einem Dankeschön an Christiane für ihre Einladung zu den abc-Etüden, diesmal die Nummer 2 mit den Wörtern „Achtsamkeit“, „rosa-grün“ und „verwurschteln“, die wie immer in maximal 10 Sätzen unterzubringen waren. Es handelt sich um die Fortsetzung meiner abc-Etüden „Potz Blitz!“ und „Konter im Beichtstuhl“ .)

Achtsamkeit rosa-grün verwurschteln

„Achtsamkeit“ – auch so ein Modewort, das Dr. Kranbacher nicht mehr hören konnte .

Worauf sie alles achten sollte!

Auf ihre Befindlichkeit, klar, darauf, dass sie den Kaffee als heiß und bitter empfand, wenn er heiß und bitter schmeckte, und nicht etwa an einen Abgabetermin dachte dabei, schon gar nicht an den Abgabetermin für ihren „launigen“ (!) Blogbeitrag heute Mittag .

Auf ihre arthritischen Schmerzen im linken Daumen – sollte sie die vielleicht bewusst genießen, oder was?

Oder auf das blumige Vintage-Muster der Bluse (rosa-grün!), die ihre Nachbarin am Kaffeehaustisch gegenüber trug, unter dem zartlila-knallgelben Stilltuch, das ihren Säugling und ihre Brust vor den Augen der neugierigen Welt nur halb verstecken konnte?

Auf die Regentropfen vielleicht auch noch, die an die schaufenstergroßen Fensterscheiben des Kaffeehauses prallten und resigniert daran hinunterflossen?

Auf den Autostrom, der lärmend und stinkend die sechsspurige Straße hinauf- und hinunterdonnerte, die nur einen schmalen Gehweg vom Kaffeehaus entfernt vorüberführte?

Oder doch auch darauf, dass sie gerade keinen Schnupfen hatte (ihre Nase war herrlich frei), keinen Beziehungsstress (ihrem Partner hatte sie vor einem halben Jahr den Laufpass gegeben), keinen Ärger mit trotzigen Pubertieren (ihr Jüngster absolvierte gerade sein Anerkennungsjahr in einem Kindergarten 500 Kilometer weiter weg), keinen Leberschaden (soweit sie wusste) und auch keinen schimpfenden Hausmeister im Nacken?

Hm – das Croissant schmeckte gar nicht übel, und plötzlich hatte sie DIE zündende Idee.

Sie würde einfach die ganzen ätzenden Achtsamkeitsappelle in ihrem Blogbeitrag verwurschteln, das war doch mal „launig“ – oder etwa nicht?

(Mit einem Dankeschön an Christiane für ihre Einladung zu den abc-Etüden, diesmal die Nummer 1 mit den Wörtern „Achtsamkeit“, „rosa-grün“ und „verwurschteln“, die wie immer in maximal 10 Sätzen unterzubringen waren. Die Fortsetzung meiner abc-Etüden „Potz Blitz!“ und „Konter im Beichtstuhl“ folgt, sofern ich es schaffe, im Lauf der Woche.)

Konter im Beichtstuhl

Petrus blieb die Verwandlung von Marias stumpf gewordenem Heiligenschein zu einem sonnenhell leuchtenden Ring nicht verborgen. Da der Heiligenschein jetzt so strahlte, konnten auch alle sehen, dass Maria die ihr zugewiesene Schäfchenwolke immer wieder übermütig umarmte, als hielte sie das flauschige Gebilde für eine Knutschkugel.

Nun, das ging ja wohl gar nicht.

Petrus beorderte die arme Maria streng in den himmlischen Beichtstuhl. Er hatte einen konkreten Verdacht, warum der Heiligenschein mit der Mutter Gottes  um die Wette strahlte, denn er kannte die Frauen, schließlich war er mit Adam befreundet, und der wusste wirklich alles über das Thema.

„Glaub mir, Petrus“, pflegte Adam zu sagen, „so wie Eva sind sie alle: schwach und verführbar. Denk an die Schlange!“

Aber Petrus dachte, nicht ganz zu Unrecht, eher an die Unterweltlichen und ihre Gewitterblitze, die sogar stumpf gewordene Heiligenscheine wieder zum Strahlen bringen konnten.

„Oder hast du verbotene Putzmittel für deinen Leuchtring benutzt, meine Tochter?“, fragte er im Beichtstuhl die Mutter des Herrn mit dieser gönnerhaft-jovialen Güte in der Stimme, die (nicht nur) seine weiblichen Beichtkinder jedesmal von Neuem auf dieselbe paradiesische Palme trieb.

„Nein, ich habe lediglich die Macht des Bösen genutzt und umgelenkt, und die Allmacht Gottes hat mir dabei geholfen“, antwortete Maria freundlich-mild (oh, sie konnte durchaus rhetorisch geschickt kontern!) und machte Petrus mundtot mit ihrer auffordernden Geste, den Beichtstuhl zu verlassen und es sich neben ihr auf ihrer knuddeligen Wolke gutgehen zu lassen.

(Mit einem Dankeschön an Christiane für ihre Einladung zu den abc-Etüden, diesmal die Nummer 2 mit den Wörtern „Beichtstuhl“, „Knutschkugel“ und „Verwandlung“, die wie immer in maximal 10 Sätzen unterzubringen waren. Es handelt sich um eine Fortsetzung meiner abc-Etüde „Potz Blitz“.)

Nie wieder

„So ein Beichtstuhl, puh!“, sagte Marin und schüttelte sich, „das wäre die Hölle für mich. Jeden Tag erzählen müssen, was du in der Schule erlebt hast? In echt jetzt?“

Johanna saß auf der Holztreppe ihres elterlichen Reihenhauses, derselben Treppe, in der sie seit Jahren zu sitzen pflegte, wenn sie aus der Schule nach Hause kam, um ihrem Papa von ihrem Tag zu erzählen, während der gemütlich die Eier in die Pfanne schlug oder die Kartoffeln zu Brei stampfte, und sah Marin mit großen Augen an, denn sie wusste nicht recht, was er meinte.

„Wieso Beichtstuhl – ich habe doch Erzähltreppe gesagt?“

„Ist dasselbe, wenn du immer alles beichten musst, was du angestellt hast“, behauptete Marin und stopfte sich eine der Schoko-Rum-Bomben in den Mund, die er Knutschkugeln nannte, weil er sie so „fett“ fand, was, wie Johanna inzwischen gelernt hatte, „gut“ oder in diesem Fall „wohlschmeckend“ bedeutete.

Warum nur wirkte Marin hier, in ihrem Elternhaus, so anders als auf dem Campus, so – unpassend – so … Wann hatte diese Verwandlung vom coolen Typen (ob das in seiner Sprache wohl „geiler Bock“ hieße, fragte sich Johanna) zum überheblichen Proleten genau stattgefunden? Wie auch immer, sie mochte es nicht, dass Marin sie jetzt anfasste, hochhob, die Erzähltreppe hinaufzuschleppen drohte und dieses blödsinnige „du willst es doch auch“ in ihr Ohr zischte.

Aber sie mochte es, dass plötzlich Papa mit dem Kräuterbund da war, das er aus dem Garten geholt hatte, ihr starker, geliebter Papa, der sie Marin aus den Armen riss und ihm mit so unmissverständlicher Geste und noch viel unmissverständlicherem Drohen in Augen und Mundwinkeln klar machte, dass er sich hier NIE – NIE – NIE wieder blicken lassen sollte.

(Mit einem Dankeschön an Christiane für ihre Einladung zu den abc-Etüden, diesmal mit den Wörtern „Beichtstuhl“, „Knutschkugel“ und „Verwandlung“, die wie immer in maximal 10 Sätzen unterzubringen waren.)

Potz Blitz!

Maria saß auf einer Gewitterwolke, baumelte mit den Beinen und polierte lustlos ihren Heiligenschein.

Das Tuch, mit dem sie das tat, war so zerfleddert, dass es an vielen Stellen nur noch von einzelnen Fäden zusammengehalten wurde.

Weil es trotz ihrer sieben Dringlichkeitsanträge an die Untere Himmelsbehörde kein neues Tuch gab, hatte Maria die Frequenz ihrer Reinigungsversuche stark eingeschränkt und deren Intensität auf ein Minimum heruntergefahren.

Aber gestern bei der jahrhundertlichen Hauptversammlung hatte sie mal wieder Ärger gekriegt (von Petrus, dem alten Pedanten, der sich überall einmischte), weil ihr Heiligenschein so matt geworden war, dass er von der Erde aus nicht mehr wahrgenommen werden konnte.

Wie auch anders?

Putzmittel waren verboten, sie zerstörten das Klima und galten folgerichtig als Teufelszeug.

Kein Wunder also, dass die Unterweltlichen leuchteten wie Gewitterblitze!

Wieder zuckte einer von ihnen an Maria vorbei, so nahe, dass sie fast getroffen worden wäre, hätte sie nicht geistesgegenwärtig ihren Lichtkranz als Schutzschild benutzt.

Verblüfft betrachtete sie den Reif in ihrer Hand, stellte das Polieren ein und platzierte das Ding wieder über ihrem Kopf, denn es glänzte plötzlich wie hellerlichtes Gold!

Maria lehnte sich erleichtert ins Grau ihrer Wolke zurück, räkelte sich im warmen Regen, so entspannt wie seit Jahrhunderten nicht mehr und dachte: ‚Wenn Petrus das wüsste‘ – aber sie würde den Teufel tun und es ihm erzählen!

(Mit einem Dankeschön an Christiane für ihre Einladung zu den abc-Etüden, diesmal mit den Wörtern „Heiligenschein“, „Frequenz“ und „erleichtert“, die wie immer in maximal 10 Sätzen unterzubringen waren. Es handelt sich um die Einladung für letzte Woche, in der ich leider nicht zum Schreiben gekommen bin. Morgen folgt hoffentlich die Geschichte, die diese Woche eigentlich dran ist.)

Herbstgefühle

Rosenblatt am Weg

An die Scheiben klopft der Regen,
und in Kürze wird es schnein,
und frau geht dem Sturm entgegen
und spürt nicht den Sonnenschein.

Gelbbraunes Blatt auf Kiesweg

Und frau fragt sich, wie die Welt es
schafft, sich weiterhin zu drehn,
fehlt doch einer jeder Mut und
jede Kraft, es zu verstehn.

Welkes Birkenblatt auf weißem Kies

Und frau summt sich leise Lieder
über Durchhalten und Pflicht,
und frau weiß, mensch sieht sich wieder.
Irgendwann. Oder auch nicht.

Totes, zerfleddertes Blatt auf buntem Kies

Und frau lächelt, und frau plaudert,
und frau schreibt und funktioniert.
Bis frau stehnbleibt und erschaudert
und von innen her erfriert.

Toter Tannenzweig auf Kies

Und frau weint und schreit und wütet.
Niemand merkt es einer an,
während frau die Enkel hütet,
was man leider nicht mehr kann.

Wandern im Oktoberregen

Aus den Pfützen spritzt der Regen
und prallt ab an einem Stein.
Und frau rennt dem Frost entgegen.
Niemals mehr wird Sommer sein.

(Copyright Text und Bilder: Elke Speidel)

Rosen sind rot und die Liebe ist tot.

Nur was du ewig liebst, bleibt ewig dein. Aber jede und jeder trauern anders.