Mius-ärgere-mich

Rosa-grün, grün-rosa, rosa-grün – verdammt, Bens schrecklicher Kater Mius hatte wieder die ganze Wolle verwurschtelt.

Martin versuchte mühsam, die Fäden zu entwirren, die Mius beim Spiel mit den Knäueln so heillos ineinander gewirkt hatte.

„Warum kannst du nie aufpassen auf dein blödes Katzenvieh“, zischte er durch die Zähne, was sein Bruder natürlich nicht hören konnte, weil er gar nicht zuhause war, sondern sich irgendwo bei den Mädchen der Oberklasse herumtrieb, die heute Spinn-Abend hatten.

Wenn Martin seinem Bruder Ben nicht endlich mehr Achtsamkeit einbläuen konnte, würde das nie etwas werden mit der gemeinsamen Geschäftsidee, denn ein Woll- und Strickladen war schließlich etwas Ernsthafteres als das idiotische Gekicke am Hinterhof, dem Ben sich jeden Nachmittag mit Feuereifer widmete, wenn er nicht gerade, wie heute, eine attraktivere Einladung hatte.

Fußball und Mädels, etwas anderes hatte Ben nicht im Sinn, nicht mal Schule!

In Mathematik schrieb er von Fatima ab, in Physik von Heidelinde, in Chemie von Veronika, und die Aufsätze ließ er sich daheim von seinem Bruder und Geschäftspartner anfertigen.

Ein Schmarotzer war er, nichts weiter!

Aber ein Schmarotzer, der begnadet stricken konnte, das musste der brüderliche Neid ihm lassen.

Mützen und Handschuhe und Socken und Pullover und Mäntel und Kostüme und Hosen, und – trotzdem würde Martin ihm heute die Geschäftspartnerschaft kündigen, das mit Mius ging definitiv zu weit.

Aber dann kam Ben vom Spinn-Abend mit einer Bollerwagenladung voll handgesponnener Schafwolle wieder, und so verschob Martin die Kündigung auf die nächste Mius-ärgere-mich-Aktion.

(Mit einem Dankeschön an Christiane für ihre Einladung zu den abc-Etüden, diesmal die Nummer 3 mit den Wörtern „Achtsamkeit“, „rosa-grün“ und „verwurschteln“, die wie immer in maximal 10 Sätzen unterzubringen waren.)

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Über Elke H. Speidel

ist Publizistin und Soziologin und arbeitet als Fachautorin, gelegentlich auch als Schriftstellerin, Lebenswegberaterin oder Wissenschaftslektorin.

Veröffentlicht am 23. September 2017 in Allgemein, Kürzestgeschichten, Lustige Geschichten, Realismus und mit , , , , getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Ein Kommentar.

  1. Das eine, was man will, das andere, was man muss. Wieso lässt er die Katze überhaupt in die Nähe der Wolle? Schon, ich weiß, wie schwer das mit Katzen sein kann … 😉
    Liebe Grüße, guten Morgen
    Christiane

    Gefällt 1 Person

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