Unter Frühstücksdirektorinnen

„Das ist ein Fall für Interpol“, sagte Polizeidirektorin Mühlenwasser beim monatlichen Behördenfrühstück, das diesmal die Leipziger Kriminalpolizei ausrichtete, zu ihrer Kollegin vom Zoll, der Regierungsdirektorin Hainendorff, als sie über die neuesten Zugänge in der Asservatenkammer plauderten. Interpol-Verdachtsfälle kamen in Grünau, Leipzigs trister Trabantenstadt  (okay, viele der hier wohnenden Menschen sahen das anders, wie Mühlenwasser wusste) öfter vor, als es den Beamtinnen lieb war, sie mussten sich nur an die Teppichlieferung mit eingewebtem Heroin aus den Vereinigten Emiraten erinnern oder an die Kondome voller Kokain, die an die Poststelle des Vatikans adressiert waren.

Die Menschen, sofern Mühlenwasser und Hainendorff den Drogendealerinnen, die seit fünf Jahren als reine Frauenbande aktiv waren, diesen Ehrentitel verpassen wollten (die Beamtinnen waren sich da uneinig) kamen auf die abwegigsten Ideen, um ihren Stoff von einem Land ins andere zu schmuggeln. Diesmal hatten sie ihn in den Schläuchen einer Honigpumpenlieferung versteckt, also nicht im Hohlraum der Schläuche, sondern in deren Material, das teilweise aus dem Pulver einer neuartigen Designerdroge hergestellt war.

„Wie nennen Sie das Zeug?“, fragte Hainendorff, die während der betreffenden Schulung, ausgerechnet während des großen Kita-Streiks!, ihre masernkranke Tochter hüten musste.

„Honigschleim“, sagte Mühlenwasser und nahm einen Schluck von ihrem Latte macchiato, leider aus einem Pappbecher, weil die zuständige Beschaffungsstelle den Antrag auf gläserne Becher abgelehnt hatte.

„Dann verstehe ich nicht, dass Rodica, diese rumänische Mafia-Mama, das Pulver im Schlauchmaterial einer Honigpumpe transportieren lässt. Als wollte sie uns geradezu unter die Nase reiben, dass es um Honigschleim geht, finden Sie nicht?“, äußerte Hainendorff ihr Unverständnis.

„Wie auch immer, das gibt eine Purple Notice an Interpol,  eine Info über geheime Verstecke und Methoden, und kein Wort an die Presse“, fasste die Polizeidirektorin zusammen, lehnte sich gemütlich zurück und biss in ihr Blätterteighörnchen. „Anderes Thema: wie geht es Ihrer Tochter inzwischen?“

(Mit einem Dankeschön an Christiane für ihre Einladung zu den abc-Etüden, diesmal die Nummer 2 mit den Wörtern „Interpol“, „Trabantenstadt“ und „Honigpumpe“, die wie immer in maximal 10 Sätzen unterzubringen waren.)

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Über Elke H. Speidel

ist Publizistin und Soziologin und arbeitet als Fachautorin, gelegentlich auch als Schriftstellerin, Lebenswegberaterin oder Wissenschaftslektorin.

Veröffentlicht am 4. Oktober 2017 in Allgemein, Kürzestgeschichten, Realismus und mit , , , , , , getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 4 Kommentare.

  1. Liebe Elke, so klasse deine Direktorinnen sind (und sie sind es, sie sind klasse!), so sehr lässt dieses Mal dein Link zu wünschen übrig: Bitte unbedingt den gesamten Link zu einem Artikel (in diesem Fall zur Schreibeinladung) einbinden, sonst pingt es nicht! Und/oder bitte den Link in einem Kommentar bei der Schreibeinladung nachtragen, damit auch diejenigen deine Etüde finden können, die dir nicht folgen!
    Liebe Grüße
    Christiane

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  2. So sorry, ich habe es jetzt nochmal versucht, hoffe, dass es jetzt besser funktioniert!

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  3. Okay, also du bist meine Etüdenkönigin – Wahnsinn, was du dir wieder ausgedacht hast 😀

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  4. Danke für die Blumen, you made my day!

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