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Großstadtdämmern

Draußen, am Jahrmarkt, bei der Achterbahn hatte die Sonne Christine so geblendet, dass sie nach ihrer Sonnenbrille kramte und sich selbst verfluchte, weil sie keine dabei hatte. Jetzt, in der Straßenschlucht zwischen den nichtssagenden neunziggeschossigen Bürotürmen schien die Dämmerung bereits in Nacht überzugehen. Die sechsspurige Autostraße, flankiert von zwei fahrspurbreiten Gehwegen, war zwischen den Hochhausriesen so eingeklemmt, dass sie selbst zum Atmen fast zu eng wirkte.

Christine war ein Großstadtmensch, aber diese Schlucht erinnerte sie an einen Urlaub in den Bergen, als sie aus einer Klamm nur mit Mühe und Not wieder herausgefunden hatte, ehe der Schneesturm die Klamm unpassierbar machte. Die Autos rauschten vorbei wie damals der Bergbach, unablässig, unaufhaltsam, mit auf- und abwallendem Basso continuo. Hinter einer leichten Linkskurve verschwand der Jahrmarkt mitsamt seinen Gerüchen nach Maronen und Zuckermandeln, Bratwurst und Erbseneintopf.

Nichts daran war einzigartig. Nichts hielt irgendeines der Versprechen, die Peter ihr gegeben hatte.

Christine ging in die Dunkelheit hinein und genoss das Geflirre der Scheinwerfer und Bremslichter, der Leuchtreklamen und Verkehrsampeln, wie sie es bei jedem Landeanflug nach Nachtflügen genoss, die diamantbunten Lichtpunkte im Samtschwarz funkeln zu sehen.

Wer, bitte, war schon Peter?!

 

(Eine abc-Etüde in 10 Sätzen, Reizwörter: Achterbahn, Straßenschlucht, einzigartig. Mit Dank an „Bruni“ Brunhilde Kantz, www.wortbehagen.de für die „Wortspende“, sowie an „Christiane“, Irgendwas ist immer.)

 

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