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Bühne frei

Die Bühne ist leer. Leer wie die Bäume des Freilichttheaters, die sie umgeben. Dürres Laub liegt auf den Stufen, die ehemals Sitzplätze waren, durchnässt und matschig fault es vor sich hin. Ein Geruch nach Moder liegt in der Luft, der Wind peitscht die Regenschnüre wie Nadeln in die Haut. Sturmwolken jagen einander über den Himmel, die Nacht sinkt zu früh auf die Landschaft. Kein Mond wird sie erhellen, keine Sterne funkeln durch die Wolkendecke.

Ein Fuchs streicht einsam zwischen den Büschen hindurch. Zweige biegen sich, ohne zu knacken. Nass sind sie, geschmeidig, unfähig zum kleinsten Geräusch. Eine Eule schreit ihr dumpfes Schuhu in die Dunkelheit. Schwarz liegt die Bühne am Boden des Theaterrunds, kein Lichtschimmer flirrt über die Wasserfläche, die sich darauf kräuselt. Als die Eule mit kaum hörbarem Flügelschlag die Szene verlässt, drängt sich das Rauschen der Autobahn in den entleerten Vordergrund, mischt sich mit dem Strömen des Herbstregens.

Es wird keinen Schnee geben. Die Temperaturen halten sich knapp, aber zuverlässig gerade so weit über dem Nullpunkt, dass die weißen Sterne graue Tropfen bleiben. Nichts wird das Bühnenbild verzaubern, nichts gnädig seine Öde verdecken. Kein Schauspieler kommt aus den Kulissen, keine Sängerin traut sich in die Kälte, niemand schaut dem ausbleibenden Schauspiel zu. Nur eine Schnecke versucht von der untersten Stufe aus nach oben zu gelangen. Und wieder heult die Eule.

Sonst geschieht nichts.

(Dieser Beitrag beruht auf einem Schreibimpuls, den ich dem Online-Workshop „Schreibrausch 2020“ von Dr. Eva-Maria Lerche verdanke, an dem ich sehr gern teilgenommen habe.)

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Blätter im Wind

Sie wollte nach den Blättern haschen, 

Sie pflücken aus dem Sturm, dem raschen,

Der durch das Himmelsleuchten strich,

Bis es den schwarzen Wolken wich.

 

Sie wollte gern den Blättern gleichen,

Um Nacht und Dunkel auszuweichen,

Und auszureisen, fort, ins Nicht,

Nach Nirgendwo und außer Sicht.

 

Schwermütig saß sie da, wie Blei,

Sie hob nicht ab, sie war nicht frei.

Der Frohsinn ist kein Kunststoffrest,

Der sich bequem recyceln lässt.

 

Ihr blieben nur Gedankenspiele.

Ob Unbehaustheit ihr gefiele?

Ganz ohne Gitter? Ohne Ketten?

Würde sie das vor allem retten?

 

Sie wollte nach den Blättern greifen,

Und nach den Wolken, die in Streifen

Der Winternacht entgegen flogen.

Es gab kein Nicht. Licht war gelogen.

 

(Die aktuellen Schlüsselwörter für die obigen Reime kommen von Bernd. Seine drei Begriffe lauten: Unbehaustheit, schwermütig, haschen. Sie waren wie immer in maximal 300 Wörtern zu einem Text zu verarbeiten, der sich diesmal reimt. Verarbeitet sind, leicht abgewandelt, auch die drei Begriffe Himmelsleuchten, recycelbar und ausreisen, die Anna-Lena gestiftet hatte. Danke, Anna-Lena, Bernd und Christiane, für den Anstoß!) 

Raureif

Noch hatte es nicht geschneit.

Neben dem Gewächshaus blühte eine einzelne Rose, weiß mit leichtem Rosaschimmer, zwischen vergilbenden Blättern versteckt. Die Hagebutten um sie herum hatte irgendwer geerntet, vor langer Zeit, als gerade die Astern zu blühen begannen.

Im Gewächshaus selbst, in dem  frühere Eigentümer jodhaltiges Gemüse gezüchtet hatten, Karotten, Broccoli, Spinat, Grünkohl, war es nicht wärmer als draußen, denn das Glas war an mehreren Stellen gebrochen, und in den Beeten wuchsen nur noch Brennnesseln, die niemand erntete und nutzte, und abgeblühte Rosen voller Dornen, unter die sich ängstlich ein Hase duckte.

Auch die Menschen, denen das Gewächshaus gehört hatte, als es ein Wintergarten mit einer farbigen Glaskuppel gewesen war, einer Kuppel, die an trüben Tagen ein trügerisches Blau in den Himmel fälschte, waren fort. Kein verträumtes Kind beobachtete mehr, am Rücken auf der altersgrauen Bank liegend, den Vogelflug und folgte mit den Augen den pfeilförmigen Formationen, die im Frühherbst zwischen den Kondensstreifen der Flugzeuge sonnenwärts zogen, über den Tannenwald hinter dem Gewächshaus, bis sie in den Nebelschwaden verschwanden, die der Wald den Wolken entgegenschickte.

Jetzt war nicht mehr Frühherbst. Die Schwalben und Störche und Graugänse waren weit weg, nur die Kondensstreifen kreuzten sich im klaren Blau des Novemberhimmels. Der Tannenwald am Horizont leuchtete golden im Morgenlicht, zerschnitten vom Band der Autobahn. Wenn der Wind auffrischte, mochte die Tür, die lose in den Angeln hing, hin und her schwingen und den Hasen erschrecken, aber nicht jetzt, nicht, wenn der Morgen den Atem anhielt, um für einen Augenblick ein Bild der Ewigkeit vorzutäuschen. Nichts war vergänglicher als so ein atemloser Augenblick.

Der Raureif, der die verkrümmten Blattreste des einsamen Rosenstocks mit schimmernden Kristallen überzog, war auf der Blüte kaum zu sehen. Sie würde ihn nicht länger überleben, als der Sonnenschein brauchte, um den Reif zu tauen.

Noch hatte es nicht geschneit.

(Die Wörter für die obige Geschichte kommen von Ulli Gau. Die drei Begriffe lauten: Vogelflug, ängstlich, schwingen. Sie waren wie immer in maximal 300 Wörtern zu einer Geschichte zu verarbeiten. Danke, Ulli Gau und Christiane, für den Anstoß!) 

Kummer-Los

Weglaufen, irgendwohin ins Nichts, weit weg.

Oder sich klein machen, winzig, in einem Mauseloch verschwinden.

Abtauchen, im Meer, auch auf die Gefahr hin, sich vom Geruch des ekelhaft jodhaltigen Seetangs übergeben zu müssen.

Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Nichts denken. Nichts fühlen.

Vor allem nichts fühlen.

Vor der kleinen Kapelle brannte die Oktobersonne auf die kahler werdenden bunten Bäume, und nach dem Regen dampfte der Friedhof wie ein schlecht belüftetes Gewächshaus. In der Kapelle war es kühl und dämmrig gewesen.

Joanna wurde sich bewusst, dass ihr Schwager Alfred an der Wahrheit kein Jota hatte fälschen wollen, damals, vor fünf Jahren, als er ihr versicherte, dass es niemals vorüber sein würde. Niemals?

Nein, er hatte sich geirrt, denn für ihn war es vorbei, seit einer Woche, zumindest nach menschlichem Ermessen. Kein Erinnern mehr an seinen Sohn Bernd, der sich als Fünfzehnjähriger das Leben genommen hatte. Keine Fehlschaltung mehr, dass seine Frau Beate am Wochenende wiederkäme, obwohl sie doch bei der Wanderung damals umgefallen und nicht mehr aufgestanden war.

Alfreds Kränze würden nicht so schnell welken wie vor fünf Jahren die seines Bruders Frieder. Der diesjährige Juli war wie damals heiß gewesen, selten unter 30 Grad im Schatten, fast unerträglich, aber der Juli war vorbei. Und der August. Und der September. Und vieles andere.

Joanna spürte den neu erwachten Seelenschmerz als Mantel um ihren Körper. Saß er links, wo das Herz schlug? Natürlich nicht. Er ergoss sich vom Kopf her in alle Organe, von innen nach außen, erstarrte dort wie die Schale einer Auster.

Rechts saß der körperliche Schmerz. Dort, wo Joannas Lunge nicht mehr komplett war, wo sich unter ihrer Brust eine Narbe bis zum Rücken zog. Wenn sie tief einatmete, spürte sie das Ziehen an den Rippen.

Ja, irgendwann war es wohl vorbei.

Vielleicht heute. Vielleicht morgen. Jedenfalls bald.

(Die Wörter für die obige Geschichte kommen von Frank. Die drei Begriffe lauten: Gewächshaus, jodhaltig, fälschen. Sie waren wie immer in maximal 300 Wörtern zu einer Geschichte zu verarbeiten. Danke, lieber Frank und liebe Christiane, für den Anstoß!) 

Traumhaft

Loslassen.

Einfach loslassen.

Sich lösen wie ein Blatt von seinem Baum, von der Sommersonne versengt, von Gewitterstürmen durchschüttelt, müde geworden, haltlos.

Loslassen.

Sich dem Nebel ergeben oder dem Herbstfarbenbunt eines milden Nachmittags, sich treiben lassen, fallen, fallen …

Loslassen – verglimmen – hinunter brennend wie das Teelicht in einer alten Laterne – ohne Aufflackern – lautlos – unmerklich fast.

Loslassen und frei sein.

Es gibt kein Danach.

Es gibt kein Davor.

Und das Jetzt ist nichts als ein Traum voller Süße und Bitterkeit.

(Mit einem Dankeschön an Christiane für ihre Einladung zu den abc-Etüden, diesmal die Nummer 2 mit den Wörtern „Laterne“, „herbstfarbenbunt“, „loslassen“, die wie immer in maximal 10 Sätzen unterzubringen waren.)

Loslassen

„Wenn du Dinge loslassen kannst, hast du zwei Hände frei“, schrieb er auf einen Zettel für sich selbst, und dahinter, in Klammern und mit Fragezeichen, „chinesisches Sprichwort?“. Er schrieb es, um sich das unaufschiebbar gewordene Aufräumen seines ewig überfüllten Schreibtisches zu erleichtern, das jedes Jahr im August anstand und ihn jedes Jahr dieselbe fast unmöglich zu schaffende Überwindung kostete. Eine ganze Woche reservierte er dafür in seinem elektronischen Kalender, es musste sein, und wäre es nur, um die dankbaren Worte seiner Frau zu hören, die, wie er wusste, unter dem Chaos der papierenen Informationsflut in ihrem gemeinsamen Heimbüro fast körperlich litt und sich jedesmal freute wie ein Kind, wenn Schreibtischfläche und Regale (vom Büroboden ganz zu schweigen) pünktlich zum September leer gefegt waren, noch ehe die Parkbäume vor den bodentiefen Bürofenstern herbstfarbenbunt die warmen Tage verabschiedeten und sich anschickten, zu schwarzen Skeletten verwandelt ins Nebelweiß eines zu tief gesunkenen Himmels zu stechen.

Als erste Aktion stellte er wie immer die Laterne auf seinen Flachbettscanner, die er vor einem Vierteljahrhundert beim Väterbasteln im Kindergarten für ihrer beider Tochter entworfen und gefertigt hatte, ein kunstvolles Gebilde aus Transparentpapier und Federn, das eine Ente darstellte und viele Jahre lang bei jedem Laternenumlauf bewundert worden war. Auch in diesem Jahr würde er die Ente nicht wegwerfen, und seine Frau würde es verstehen, denn vielleicht könnte die Enkeltochter (jetzt noch ein Baby) sie irgendwann vor sich hertragen und stolz den anderen Kindern erzählen, dass ihr Opa die gebastelt habe, für ihre Mama damals, vor undenklichen Zeiten, als die Mama ein Kindergartenkind war.

Er prüfte den Zettel mit dem Spruch noch einmal, überlegte, ob er ihn ordentlicher abschreiben sollte, als bessere Motivation, denn bei den ersten Wörtern hatte der Kugelschreiber nicht recht mitgespielt, aber dann verwarf er die Idee und klemmte den Zettel so, wie er war, mit einer grünen Büroklammer an den Rand der Laternen-Ente; grün wie die Hoffnung, fiel ihm dabei ein, und er grinste still in sich hinein. Zufrieden mit sich und seiner heutigen Leistung fuhr er den Rechner hinunter, schob den Pfeil an seinem Papierkalender einen Tag weiter (es war inzwischen nach Mitternacht), löschte das Licht im Heimbüro und ging ins Bad, um sich die Zähne zu putzen, ehe er sich neben seine Frau, die schon seit über einer Stunde schlief, unter die Bettdecke legen würde. Morgen, das hatte er ihr versprochen, würde er mit dem Aufräumen anfangen.

Aber als am nächsten Tag um sechs Uhr der Radiowecker „Danke für diesen guten Morgen“ anstimmte, fand seine Frau ihn leblos neben der Badewanne, mit einem erstarrten Lächeln im Gesicht, die Zahnbürste mit rot-weißer Zahnpasta garniert in der steif angewinkelten rechten Hand. Der Zettel an der Laterne erleichterte es ihr in den folgenden Monaten, all das wegzuräumen, was sie immer so gestört hatte und was sie jetzt bis an ihr Lebensende vermissen würde, all die unnützen Dinge, die ihr das Gefühl gaben, ihren Mann Stück für Stück zu entsorgen, jeden Tag ein bisschen mehr, und die doch zweifellos entsorgt werden mussten, um die Hände, vielleicht, irgendwann wieder frei zu bekommen.

(Mit einem Dankeschön an Christiane für ihre Einladung zu den abc-Etüden, diesmal die Nummer 1 mit den Wörtern „Laterne“, „herbstfarbenbunt“, „loslassen“, die wie immer in maximal 10 Sätzen unterzubringen waren.)

Herbstgefühle

Rosenblatt am Weg

An die Scheiben klopft der Regen,
und in Kürze wird es schnein,
und frau geht dem Sturm entgegen
und spürt nicht den Sonnenschein.

Gelbbraunes Blatt auf Kiesweg

Und frau fragt sich, wie die Welt es
schafft, sich weiterhin zu drehn,
fehlt doch einer jeder Mut und
jede Kraft, es zu verstehn.

Welkes Birkenblatt auf weißem Kies

Und frau summt sich leise Lieder
über Durchhalten und Pflicht,
und frau weiß, mensch sieht sich wieder.
Irgendwann. Oder auch nicht.

Totes, zerfleddertes Blatt auf buntem Kies

Und frau lächelt, und frau plaudert,
und frau schreibt und funktioniert.
Bis frau stehnbleibt und erschaudert
und von innen her erfriert.

Toter Tannenzweig auf Kies

Und frau weint und schreit und wütet.
Niemand merkt es einer an,
während frau die Enkel hütet,
was man leider nicht mehr kann.

Wandern im Oktoberregen

Aus den Pfützen spritzt der Regen
und prallt ab an einem Stein.
Und frau rennt dem Frost entgegen.
Niemals mehr wird Sommer sein.

(Copyright Text und Bilder: Elke Speidel)

Vasenblume

Ich sehe ihn vor mir, den dunkelblauen Himmel mit den weißen Wolken oder den grauen, regenschweren.

Ich spüre die Tautropfen auf meinen Blättern –

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Um mich ist Kristall.

Kristall, in Mustern geschliffen. Hart und sehr schwer, klar und rein und ein wenig bläulich.

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Die Rosenknospen: rot und gelb und rosa und weiß und orange.

Die Stiefmütterchen: lila und blau. Klein und bunt und lustig.

Ein Schmetterling –

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Die Muster im Kristallglas stellen Blumen dar. Stilisiert. Tulpen und Nelken.

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Der Himmel: Das ist eine dunkelblaue Glasglocke, rund und leuchtend und weit, weit, unendlich, und so klar, mit schneeigen Wolken darauf –

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Der Himmel. Eine flache Decke aus Beton.

Ich beginne zu vergessen, wann meine Blätter zuletzt vom Regen berührt wurden.

Regen: kühle, graue Tropfen, fröhlich singend und übereinanderkollernd –

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Regen. Leitungswasser mit viel Chlor.

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Ich kann mich noch an die Bäume erinnern, groß und dunkelgrün, blätterrauschend im Wind. Die vielen tausend kleinen Lichter am Himmel und die Silberscheibe, die sie Mond nennen! Der Tau komme und kühlt die Blätter –

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Am Betonhimmel hängt ein umgekehrter Blumentopf, der Lampe heißt.

Keine Sterne.

Kein Mond.

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Ich bewundere Kristallglas. Aber ich muss immer an die Rosen denken. An ihren Duft. Und an die stillen Sommernachmittage, warm, singende Luft, irgendwo eine summende Hummel –

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Hier ist es niemals still. Ich habe fast schon vergessen, dass Luft singen kann.

Manchmal singt die elektrische Leitung. es ist ein hässliches, störendes Singen.

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Wenn ich an die Rosen denke, sehe ich ihre Farben: dunkelrot, fastschwarz, feuerfarben, mildorange-rosa, rosahauchzart, weiß, ins Bläuliche spielend. Kristallweiß. Klar und durchsichtig.

Ich habe vergessen, wie es war, wenn ich die Sonne auf den Blättern fühlte. Ich weiß nur, dass es sehr schön war. Ich habe vergessen, wie sich Tautropfen anfühlen, die in der Nacht auf die Blätter fallen. Auch das war schön, erinnere ich mich; aber ich kann die Empfindung nicht zurückrufen, die ich dabei hatte –

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Ich bewundere Kristallglas. Auch wenn es zu hart ist für Wurzeln. Woher kommt nur dieser schwarze Sand?

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Man kann nur frei sein, wenn man –

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Schwarzer Sand, darüber ein dunkelkristallblauer Himmel, mit Blumenmustern und sehr hart. Schneeige Wolken darauf. Kein Wasser.

Wurzeln sind Fesseln.

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Die Luft… eine überblühte, entblätternde Rose oder viele… sie dreht sich, aber sie singt nicht. Die elektrische Leitung singt, aber hässlich.

Es ist zu warm.

Die graue Sonne verbrennt den Tau, der in regenbogenfarbenen Plastikkugeln niederfällt, trocken und hart und sehr schön, ein glitzerndes, grandioses Farbenspiel von finster, brennend, leuchtend, strahlend, kalt und hart.

Vor allem Rot ist viel.

Rot-rot-rot-rot in allen Schattierungen. Es wirbelt und schreit und steigt und fällt und dreht sich und schmerzt unsäglich.

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Wenn nur die geschliffenen Diamanten nicht wären!

Sie betauen klirrend die Kristallvase. Millionenfach brechen und spiegeln sie das Licht, das die sterbenden Rosen senden.

Und der Himmel mit dem Blumenmuster: die Wolken darauf und der Sand ringsum, lichtlos, irgendwo hinter dem Farbgeflirr, ein Punkt im Tanz.

Zwei Punkte.

Drei.

Und viele –

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Flecken und Flächen durchbrechen schwarz den Flammenwirbel, und durch die Rosenfarben scheint deutlich die Sandwüste. Die schwarze Sandwüste, der dunkelkristallblaue Himmel darüber und die schneeigen Wolken darauf.

Aber vielleicht sind die Weißen auch Rosen. Sie duften so.

Es ist eine schwarze Fläche mit roten Flecken. Der Himmel wird dunkler und dunkler und schwarz. Aber keine Sterne sind darauf und kein Mond, und die Wolken sind doch Rosen gewesen, denn jetzt sind sie weg, und die roten Flecken werden kleiner und die Punkte weniger und –

ich weiß: Wenn der letzte rote Punkt verschwunden ist, ist es vorbei.

Jetzt ist noch einer.

Zwischenzeit

Der Himmel klirrt, verbrannt zu blauen Scherben,
auf die Wegewartensterne vor der Stadt,
und durch die Birken geht ein gelbes Sterben,
weil der Regen sie vergessen hat..

Grellweiße Häuser schaun durch stumme Fenster
auf Asphaltwege, die verglutend weichen.
Die Luft fließt säulenhohe Flirrgespenster
in die Fabrik, die sie zermorst zu wirren Zeichen.

Die Welt verflimmert qualvoll in den Krallen
aus gleißendgelbem, hartem Sonnenlicht,
das sich in tödlichheißen Platinstrahlen
durch Parks und Wohnblocks in die Erde bricht.

Die Wälder brennen dem Gestirn entgegen,
die Städte lohen rot zu ihm empor.
Doch hinten löscht schon schwarzer, schwerer Regen
die Sommerfarben heimlich aus dem Moor.

Bald wolken Nebel grau durch graue Gassen,
in denen graue, müde Häuser stehen,
und graue Pfützen sprühn den grauen, blassen,
versengten Blättern nach, die erdwärts wehn.

Oktoberdämmern

Hast du,

die du den Morgen liebst,

die Abenddämmersehnsucht nie gekannt?

Bist du,

die du den Frühling preist,

auf regennassen, blätterbunten Straßen nie gegangen,

wenn kahler Bäume kalte Silbertropfen

in Ringen singend Pfützen schwellen ließen

und schwarze filigrane tote Zweige

den weißen Himmelhintergrund zerstachen

als scharfes Drahtgeflecht vor grauem Tag?

Hast du,

von ersten Buchseiten zu fasziniert,

den Dank der letzten wirklich nie begriffen?

Warst du,

gefesselt starr vom Blick der ersten Liebe,

denn nicht imstand, die letzte zu erfassen,

die große, herb gereifte, viel zu späte,

die erst im letzten Augenblick sich füllt?

Hast du

vielleicht

Septembersommerwärme

mit frühem Junisonnenschein verwechselt

und bist verreist, eh der Oktober kam,

eh deiner Mutter alte Küchenwaage

als wertvolles antikes Schmuckstück galt?

Ach, sieh doch hin,

wir haben jetzt Oktober, Ende Oktober,

und der gelbliche Abend verbrennt die treibenden Wolken zu aschenem Staub.

Ach so –

hast du gedacht, die Welt sei rund?