Ausweisepläne

„Ich wüsste etwas“, sagte die Mutter Gottes, „was meinen Sohn und seinen Vater dazu bringen könnte, uns für ein Weilchen auszuweisen aus diesem Paradiesgarten, der immer mehr zum Gefängnis wird für uns: Wir müssten einfach ein paar Birnen vom Baum des Lebens naschen, die sind bestimmt lecker, und den Führenden Männlichen Heiligen dürften wir nichts davon abgeben, damit Gott-Vater sie nicht auch zu unserem Ausflug in die Freiheit als Aufpasser mitschickt.“

Eva betrachtete traurig ihr dunkelolivgrünes Spiegelbild, das die himmlisch ruhige Wasserfläche erbarmungslos klar zurückwarf, und betrachtete die klobigen Filzstiefel, die soeben in der ungeliebten Uniformfarbe RGB 85, 107, 47 geliefert worden waren, mit Verachtung und Abscheu.

„Und wohin könnten wir dann gehen?“, fragte sie, und die Resignation in ihrer Stimme schien grenzenlos und kullerte wie Tränen von Wolke zu Wolke, „hast du dir das auch schon überlegt?“

„Nach Zweibrücken,“ platzte Maria heraus.

„Wie bitte?“ Noch niemals hatte die Erste Frau von einer solchen Ortschaft gehört.

„Dort findet am 28. Oktober eine Grusel-Modenschau statt“, sagte die Mutter Gottes, „und wenn ich uns so anschaue, haben wir gute Chancen, dafür zugelassen zu werden.“

„Hm“, machte die Erste Frau, „falls wir nicht dazu verdammt werden, dann für immer dort zu bleiben?“

„Werden wir nicht“, versprach Maria, „auf meinen Sohn kann ich mich verlassen, wer sich auf ihn beruft, bekommt jede Schandtat vergeben, und außerdem – ewig leben kann in Zweibrücken niemand, irgendwann müssen wir dort also sterben, und schwups sitzen wir wieder hier auf unserer Wolke, gestärkt von einem Kurzurlaub, neu eingekleidet und voller origineller Ideen, wie wir den FMH ein Schnippchen schlagen können.“

(Mit einem Dankeschön an Christiane für ihre Einladung zu den abc-Etüden, diesmal die Nummer 1 mit den Wörtern „verdammt“, „Zweibrücken“, „grenzenlos“, die wie immer in maximal 10 Sätzen unterzubringen waren. Es handelt sich um eine Fortsetzung meiner Maria-und-Petrus-Anekdoten. Oder Maria-und-Eva-und-die-F(ührenden)-M(ännlichen)-H(eiligen) …)

Über Elke H. Speidel

ist Publizistin und Soziologin und arbeitet als Fachautorin, gelegentlich auch als Schriftstellerin, Lebenswegberaterin oder Wissenschaftslektorin.

Veröffentlicht am 16. Oktober 2017 in Allgemein, Fantasy, Kürzestgeschichten, Märchen und mit , , , , , , , , getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 5 Kommentare.

  1. (Praktisch, so ein Sohn.) Ich hoffe, dass Zweibrücken genügend kreative Gruselköpfe anzieht, damit Eva und Maria auch davon profitieren können und es sich lohnt!
    Ich lache immer noch über die FMHs.
    Liebe Grüße
    Christiane

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  2. WWb (wieder wunderbar)!

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  3. Das ist sooo kooomisch 😉 danke, danke, danke
    also: die FMH und die FWH – wer sind denn dann diese??

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