Archiv der Kategorie: Gedichte und Liedtexte

Erinnerung

Ich hau ein Ei in die Pfanne

und trenne mich

von der Erinnerung an glückliche Zeiten;

ich füll Kaffee in die Kanne

und denk an dich

und würd gern nochmal mit dir streiten.

Einen Blumenstrauß

übers Internet

bestelle ich für dein Grab.

Und ich trinke aus,

und ich spül das Fett

aus der Pfanne wieder ab. 

(Zu verarbeiten waren im Rahmen von Christianes Schreibeinladung die drei Wörter „Pfanne, glücklich, trennen“, gestiftet von Doro mit ihrer Webseite/Blog DORO|ARTund zwar in nicht mehr als 300 Wörtern. Danke für die Wortspenden und die Einladung!)

Die Faltkünstlerin

Papiertiger, Papierflieger und Blumen aus Papier.

Papierschiffchen, Papiervögel und sonst noch manches Tier.

Sie faltete mit viel Geduld, fast alles glückte ihr.

 

Sie wurde dafür ausgelacht, statt dass sie wer empfahl.

Belanglos sei, was sie da macht, belanglos und banal.

Ein Plätschern nur sei ihre Kunst, zu winzig und zu heiter,

Kein Grund für Förderung und Gunst.

 

Sie machte trotzdem weiter.

 

(Danke an Christiane, die diese abc-Etüden betreut, und an Donka, die diesmal die Reizwörter – Papiertiger, belanglos, plätschern – gespendet hat. Wie immer waren die 3 Begriffe in maximal 300 Wörtern zu einem sinnvollen Text zu verbinden.)

Der Skiurlaubs-Muffel

„Du fährst jetzt in den Skiurlaub,“ so hörte ich sie kommandieren.

„Weit weg von deinem Bücherstaub.“ – „Nein, bitte nicht, ich will nicht frieren!“

„Du fährst jetzt hin, hab ich gesagt, um deinen Körper zu trainieren!

Sei doch nicht immer so verzagt!“ – „Nein, bitte nicht, ich will nicht frieren!“

„Was bist du mickrig, schwächlich, klein! Hör endlich auf, dich so zu zieren!

Im Skiurlaub wird’s herrlich sein!“ – „Nein, bitte nicht! Ich will nicht frieren!“

Sie ließ nicht locker, und ich fuhr. Mit zwei gegipsten Unterarmen

kam postwendend ich zu ihr retour und sitz gemütlich jetzt im Warmen.

(Die aktuellen Schlüsselwörter für die obigen Reime kommen von Christiane. Ihre drei Begriffe lauten: Skiurlaub, kommandieren, mickrig. Sie waren wie immer in maximal 300 Wörtern zu einem Text zu verarbeiten, der sich diesmal reimt. Danke, liebe Christiane, für den Anstoß!) 

Blätter im Wind

Sie wollte nach den Blättern haschen, 

Sie pflücken aus dem Sturm, dem raschen,

Der durch das Himmelsleuchten strich,

Bis es den schwarzen Wolken wich.

 

Sie wollte gern den Blättern gleichen,

Um Nacht und Dunkel auszuweichen,

Und auszureisen, fort, ins Nicht,

Nach Nirgendwo und außer Sicht.

 

Schwermütig saß sie da, wie Blei,

Sie hob nicht ab, sie war nicht frei.

Der Frohsinn ist kein Kunststoffrest,

Der sich bequem recyceln lässt.

 

Ihr blieben nur Gedankenspiele.

Ob Unbehaustheit ihr gefiele?

Ganz ohne Gitter? Ohne Ketten?

Würde sie das vor allem retten?

 

Sie wollte nach den Blättern greifen,

Und nach den Wolken, die in Streifen

Der Winternacht entgegen flogen.

Es gab kein Nicht. Licht war gelogen.

 

(Die aktuellen Schlüsselwörter für die obigen Reime kommen von Bernd. Seine drei Begriffe lauten: Unbehaustheit, schwermütig, haschen. Sie waren wie immer in maximal 300 Wörtern zu einem Text zu verarbeiten, der sich diesmal reimt. Verarbeitet sind, leicht abgewandelt, auch die drei Begriffe Himmelsleuchten, recycelbar und ausreisen, die Anna-Lena gestiftet hatte. Danke, Anna-Lena, Bernd und Christiane, für den Anstoß!) 

Der Stalker

Was hat nur dieser Pfiffikus
in meinem Traum verloren?
Auch ohne Pfiff und ohne Kuss
hab ich viel um die Ohren!

Soll ich ihn tätscheln?
Meint er das?
Ihn noch verhätscheln?
Oder was?

So traumverloren steht er da,
in seiner Hand zwei Nelken.
Denkt er, ich riefe gleich Hurra
und ließe mich dann melken?

Ah, nein, der Handywecker singt
die Morgenmelodei,
die Pfiff und Kuss ins Abseits zwingt.
Ich bin und bleibe frei.

(Mit bestem Dank an Christiane für die Einladung zu dieser abc-Etüde mit den drei Wörtern Pfiffikus, traumverloren und tätscheln, gestiftet diesmal von Bernd – auch dir vielen Dank! Wie immer waren sie in maximal zehn Sätzen zu verarbeiten.)

nichts

eine blume ohne wurzeln ohne licht

eine blume ohne wasser und allein

irgendwo ein brunnen wasservoll

irgendwo ein rundbeet ohne blume

und der dunkelkristallblaue himmel

die schneeigen wolken über schwarzem sand

das nichts

Lösungswege

Wegrennen. Nein. Mauseloch.

Schreien. Einen Sandsack hauen.

Rennen, rennen, rennen.

Hilft nicht.

Badewanne, Buch.

Quatsch.

Funktionieren.

Bett.

Zucker, Schokolade, Kuchen.

Lustigsein!

Unten. Jalousien.

Chaos. Tränendrüsen. Todessehnsucht?

Noch nicht jetzt! Rosa Wolken

für einen kurzen Moment.

Novembergebet

Zu viele Tränen nicht geweint,
zu viel gesagt und nicht gemeint,
zu viel gewollt und nicht geschafft,
zu viel gesollt, zu wenig Kraft.

Zu viel Gezerre her und hin,
zu viel gemusst, zu wenig Sinn,
zu viel Gewölk vorm Sonnenlicht,
zu steil der Weg, zu wenig Sicht.

Zu grau der Tag, zu schwarz die Nacht,
auch viel zu selten laut gelacht
und nie gedankt für gute Stunden
oder verheilte alte Wunden.

Von Stürmen, die vorüberwehten,
zu viel verschwiegen in Gebeten …
Wir Menschen gehen, wie wir kamen.
Gott, steh uns bei und hilf uns! Amen.

Totensonntag

du

bleibst einzigartig

und unersetzlich und

in mir drin als

lücke

Erblindend

loslassen

das frühlingsregengrün

das sommerährengelb

das herbstfarbenbunt

das winterfrostweiß

das blenden der sonne

das flirren der großstadtnacht

das glimmen der laterne

das verdämmern des mondes

loslassen

(Mit einem Dankeschön an Christiane für ihre Einladung zu den abc-Etüden, diesmal die Nummer 3 mit den Wörtern „Laterne“, „herbstfarbenbunt“, „loslassen“, die wie immer in maximal 10 Sätzen unterzubringen waren.)