Ein Schloss für den Affenkasten

Mit Affen hatte der Affenkasten, den Christl mit einem wütenden Stoß verschloss, absolut nichts zu tun. Höchstens mit Maulaffen, einem Begriff, der mit Mauloffen besser umschrieben wäre.

Benhards Affenkasten war eine offene Truhe, oder besser, eine Truhe, die nach Meinung von Bernhard offen zu sein und offen zu bleiben hatte. Eine hässliche Truhe in einem Blauton, den Christl verächtlich „elektrischblau“ nannte, nicht ohne Grund, denn Bernhard bewahrte darin seine ganzen verdammten Kabel, Batterien, Glühbirnen, Mehrfachsteckdosen, Akkus, Energiesparlampen, Unterputz-Steckdosen, Schalterabdeckungen und weiß-der-liebe-Himmel-was-noch-für-bescheuerte-Dinge auf.

Wie Christl diesen widerlichen Baumarktkram hasste, samt dem elektrischblauen Offenkasten und dem Mauloffen, der Bernhard hieß und der bald janken und jaulen würde wie ein kleiner Hund, wenn er feststellen musste, dass sie seine gesamte doofe Sammlung in den Sammelbehälter für Elektroschrott gekippt hatte! Leer war er jetzt, der Offenkasten, und geschlossen war er außerdem, und genüsslich schraubte Christl das neue Schloss an den Deckel, das sie bei ihrem letzten Besuch im Baumarkt erworben hatte.

Bei ihrem allerletzten Besuch im Baumarkt.

Nie wieder würde sie diesen ekligen Laden betreten, in dem sie Bernhard mit Jonathan erwischt hatte, hinter der Regalwand mit den Wandfarben, in enger Umarmung, die vier Männerlippen saugend aufeinander gepresst, die vier behaarten Pranken über unausprechliche Körperpartien streifend.

Deshalb also war ihr Mann immer wieder in den Baumarkt gerannt!

Sie drehte den Schlüssel in dem neuen Schloss herum, steckte ihn in die Hosentasche, schnappte sich den Doppelbuggy mit ihren Zwillingen und verließ die Ehewohnung.

(Mit einem Dankeschön an Christiane für die Einladung zu den abc-Etüden der 3 Wörter in 10 Sätzen und an dergl, die Wortspenderin der 22. Woche. Die Wörter waren diesmal „Affenkasten, elektrischblau, janken“. Ja, ich weiß, ich bin zu spät dran, aber es hat trotzdem Spaß gemacht.)

Über Elke H. Speidel

ist Publizistin und Soziologin und arbeitet als Fachautorin, gelegentlich auch als Schriftstellerin, Lebenswegberaterin oder Wissenschaftslektorin.

Veröffentlicht am 8. Juni 2018 in Allgemein, Kürzestgeschichten, Lustige Geschichten, Realismus und mit , , , , , , , getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 8 Kommentare.

  1. Oh. War schon gespannt, warum sie den Baumarktfimmel ihres Mannes so hasst, aber damit hatte ich dann nicht gerechnet. Sehr gelungen.
    Liebe Grüße
    Christiane

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    • Danke dir. Ich mag Baumärkte aus anderen Gründen nicht. An dem Morgen, an dem mein Mann nicht mehr aufwachte, hatten wir den Wecker gestellt, weil wir rechtzeitig zum Baumarkt wollten und an dem Tag – einem Samstag – noch so viele andere Dinge vorhatten. Sie waren alle nicht wichtig, stellte sich auf der Intensivstation heraus. Seither war ich nicht mehr im Baumarkt.

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  2. O mein, man kann ihren (durchaus begründeten) Hass schon fast körperlich empfinden. Die armen Zwillinge! wenn nun der eine wie Mama, der andere wie Papa wird?

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  3. Ich mag Baumärkte und Elektromärkte auch nicht, hatte ich sogar mal einen Text dazu geschrieben (https://bodenlosz.wordpress.com/2016/07/17/ueber-den-kaufenden-mann). Aber solche Erlebnisse hatte ich dort nicht … Eine witzige Lösung des Drei-Wort-Problems!

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