Aprilgewitter
In dem braunen Kleid mit den weiten Ärmeln sah Serena einer Fledermaus zum Verwechseln ähnlich, fand Stefan. Ohnehin war sie ein Wesen der Nacht, aber kein Glitzerwesen, eher eines, das sich in dunklen Torbögen unsichtbar machte. Und das war auch besser so, für alle Beteiligten.
Denn Serena war nach Stefans Meinung alles andere als eine Schönheit, und wenn sie den Mund aufmachte, um etwas zu sagen, wurde der Eindruck nicht besser, sondern viel, viel schlechter. Es war, als könne sie keine drei sinnvoll zusammenhängenden Wörter von sich geben.
Wie schwül es heute war! Und das im April! Bestimmt würde es nachher noch ein Gewitter geben.
„Aber ich werde den Teufel tun, das Serena zu verraten“, sagte Stefan zu seinem Freund Martin mit einem schrägen Blick auf die unscheinbare Frau vor ihnen, die bitte unscheinbar bleiben sollte.
Gewitter jedoch machten aus der stillen Serena ein Aschenbrödel in goldenen Schuhen, das im Regen tanzte und gegen den Donner ansang mit der beeindruckenden Stimmkraft einer Opernsängerin – die sie auch war.
(Für die Textwoche 28.18 hat Natalie aus dem Fundevogelnest die drei Wörter Fledermaus, schwül und verraten gespendet, die wie immer auf Einladung von Christiane in maximal 10 Sätze zu packen waren.)
Veröffentlicht am 15. Juli 2018 in Allgemein, Kürzestgeschichten und mit April, Regen, Schönheit, Singen getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 2 Kommentare.
Ich mag die Geschichte. Vielleicht hättest du den Bogen dramatischer schlagen können, wie es einer Diva gebührt, oder so.
Liebe Grüße
Christiane
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Ja, man merkt der Geschichte meine Müdigkeit ein wenig an. Aber die „Fledermaus-Frau“ ist keine Diva. Nur eine schlichte Opernsängerin. Die außerhalb der Oper scheu und unscheinbar ist. Sowas gibt es. Ich kenne eine Entsprechung in Männlich.
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